Klassikerfrage

Ich spreche mich entschieden dafür aus, Klassiker zu lesen, und zwar alle. Auch mal die, die einem auf den ersten Blick nicht zusagen, oder die, von denen man bisher nur im Bekanntenkreis gehört hat, wie veraltet alles an ihnen sei oder wie blöde es wäre, sie lesen zu müssen. Ich spreche von denjenigen Bekannten, die eigentlich lieber nichts mit Literatur am Hut hätten und von denen, die einfach keine Liebe für Klassisches empfinden. Und vielleicht war ich auch einmal von dieses Bekannten, die kategorisch jedes Buch ablehnte, von dem man behauptete, dass man es gelesen haben muss. Heute denke ich anders; Einige Bücher sollte man wirklich gelesen haben.

Aber mal ganz ehrlich. Klassiker, nicht die aus der Klassik-Epoche natürlich, ich meine in diesem Fall diese Bücher, die irgendwann mal eine Welt verändert haben könnten, sind lesbar und lehrbar. Ich liebe sie heutzutage nicht nur, weil sie mir Vergnügen bereiten, eine ganz andere Frage und Betrachtungsweise an Bücher im Allgemeinen, wie ich anmerken möchte, ich lese sie vor allen Dingen deshalb, weil sie die Literatur an einem Punkt in der Vergangenheit schlicht und ergreifend maßgeblich beeinflusst haben.  Es gibt natürlich die einen und die anderen; Die einen, die sagen, dass man sich auf das Neue konzentrieren sollte, weil das nachweisbar für uns aktueller und dementsprechend relevanter sei. Ich gehöre zu den anderen, denen die sagen, dass alles Neue von etwas abstammt und zurückverfolgt werden kann, was das neue und aktuelle nicht unbedingt so neu erscheinen lässt, wie man vermuten könnte. Vielleicht rede ich wirr, aber wenn ich neue Bestseller lese, dann lese ich oft ihre Beeinflusser gleich mit, wenn ich selbst schreibe, dann oft unbewusst mit einem Namen im Hinterkopf, der meine Ausdrücke mitformt. Der Schreiberling ist seltenst allein in seinem Oberstübchen, und hätte ich zum Beispiel Camus oder Sartre nicht gelesen, ich würde Andeutungen zum Existenzialismus nirgendwo nachvollziehen können. Da ich sie aber verschlungen habe, sehe ich sie überall.

Zum Punkt zurück: Klassiker bilden nicht nur ihre zeitlich gebundene Welt, sondern auch unsere heutige (zeitlich gebundene) Gegenwart. Denn Klassiker sind zeitlos, weil sie relevant bleiben. Nehmen wir zum Beispiel George Orwells 1984, zweifellos ein Klassiker, den jeder gelesen haben sollte. Nicht nur, weil er außerordentlich gut geschrieben ist, nicht nur, weil er so spannend und fesselnd ist, und eben nicht nur, weil Orwells Name darauf steht. 1984 bleibt zeitlos, weil es kluge Gedanken enthält, die unsere Sicht auf die Welt verändern können, die die Macht haben, uns selbstständig Gedanken zu diesem Thema zu machen. Das ist wohl das größte Gut, das ein Buch vermitteln kann.

Natürlich gibt es auch die Gegenbeispiele, diejenigen Klassiker, die alle Welt kennt und die mit einem Namen versehen sind, der die Bibliophilen vor Wonne aufatmen lässt. Ich hatte dieses Phänomen erst kürzlich mit dem Namen J. D. Salinger. Ein Autor, dessen Name mir mehr als präsent ist, den ich mit Amerika assoziiere und ein Name, der mich aufrief, gelesen zu werden. So habe ich die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und die Neun Erzählungen von Salinger gelesen. Nun ja. Ich war enttäuscht. Und wieder, nicht weil er nicht schreiben konnte, nicht weil er kein Einfallsreichtum bewies oder ähnliches nein, ich war enttäuscht, weil ich ihn und seinen Punkt nicht verstand. Er schrieb sich um Kopf und Kragen für mich, mein Kopf wollte nicht begreifen, und bis jetzt, wo ich sie alle gelesen habe, kann ich noch nicht sagen, wofür Salinger berühmt wurde. Nun aber der springende Punkt: Ich stelle mir an einem solchen Punkt die Frage, warum ich diesen Klassiker nicht verstehe. Zu einer anderen Zeit waren diese Worte, die mir nichts tiefergehendes zu vermitteln vermögen, die Worte einer ganzen Generation. Dieser Autor hat Sätze verfasst, die die Leute dazu veranlasst haben, dass seine Bücher gelesen werden sollten. Dann steckt da doch etwas dahinter, oder nicht? Mein Unverständnis hält mich nicht ab, die Welt der Klassiker zu erkunden und auch nicht, das Rätsel des J. D. Salinger weiter zu entwirren. Sein größter Erfolg, der Fänger im Roggen, steht noch in meinem Regal und wartet auf mich. Vielleicht werde ich ihn lieben, vielleicht auch nicht, vielleicht wird er mein Weltbild ein wenig verändern, vielleicht auch nicht. Der Punkt ist, er hat schon so einige Welten verändert, warum also nicht noch mehr?

Würde ich ihn es nicht einmal versuchen lassen, wäre ich heute nicht die, die ich bin. Eine Sammlerin nicht bloßer Worte, sondern großer Zusammenhänge und Zeitlosigkeiten.

Wer liest heute noch Klassiker, und warum? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!


6 Gedanken zu “Klassikerfrage

  1. Hallo 🙂 Wirklich sehr schön geschrieben! Und ganz deiner Meinung: Jeder sollte mal einige Klassiker gelesen haben. Nur in einem Punkt bin ich nicht ganz einig: Ich fand George Orwells „1984“ schrecklich 😀 // Liebe Grüße!

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      1. Ich muss zugeben, ich weiß nicht mehr alle Details dazu, aber allem voran lag es an der Schreibstil. Ich habe mich sehr schwer damit getan. Und zwischendurch war es etwas langatmig. Zum Beispiel als Winston dieses Buch liest. Das Thema an sich fand ich schon gut, gerade wenn man an die heutigen Debatten zur Überwachung denkt, aber das war’s dann auch schon.

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